Geschwindigkeitsüberwachung

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11.08.2009 verletzen Geschwindigkeitsüberwachungsmaßnahmen durch Videoaufzeichnungen das Recht der Vorbeifahrenden auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I Grundgesetz.

Gegenstand dieser Entscheidung war ein Bußgeldbescheid, der sich hinsichtlich der Feststellung eines Geschwindigkeitsverstoßes auf eine Videoaufnahme von einer Autobahnbrücke stützte. Der betroffene Fahrer setzte sich hiergegen über mehrere Instanzen mit der Argumentation zur Wehr, dass diese Art der Feststellung von Geschwindigkeitsverstößen rechtswidrig sei. Er sei wie alle, die die fragliche Stelle auf der Bundesautobahn passierten, von der Videokamera erfasst und identifiziert worden. Sodann erst sei mittels dieser Videoaufnahmen sein Geschwindigkeitsverstoß festgestellt worden. Im Zeitpunkt seiner Erfassung habe gegen ihn noch kein Verdacht einer Ordnungswidrigkeit bestanden. Dieser sei vielmehr erst im Rahmen der Auswertung der Videoaufzeichnungen festgestellt worden.

In den Vorinstanzen verlor der Kläger, da die Gerichte davon ausgingen, dass der ministerielle Erlass als Rechtsgrundlage für diese Art der Geschwindigkeitsüberwachung genüge. Der Kläger dagegen meinte, dass hierdurch sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt wurde. Für einen solchen Grundrechtseingriff fehle es an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage, der Erlass des Ministeriums genüge dem Gesetzesvorbehalt nicht. Im Ergebnis sei die Videoaufzeichnung daher als Beweismittel untauglich.

Das BVerfG gab dem Kläger Recht: Eine Einschränkung dieses Grundrechts ist jedoch nur möglich, wenn diese im überwiegenden Allgemeininteresse (z. B. der Verkehrssicherheit) liegt und hierfür eine gesetzliche Grundlage existiert. Eine interne Verwaltungsvorschrift wie der ministerielle Erlass genügt dem nicht. Die Rechtsauffassungen in den Vorinstanzen waren nach Ansicht des BVerfG unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar. Damit gelten diese Entscheidungen als willkürlich und verletzten den Kläger jedenfalls in seinem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Zudem stellte das BVerfG fest, dass die angefertigten Videoaufzeichnungen den Kläger in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen. Der Kläger habe – wie alle anderen, die diese Stelle passierten und registriert wurden auch wenn sie sich in der öffentlichkeit bewegen – das Recht, zu wissen, wer welche Daten über sie erhebt und verwertet. Zudem erfolgte die Dokumentation vollkommen verdachtsunabhängig, da der Geschwindigkeitsverstoß erst im Nachhinein aufgrund der Aufzeichnung festgestellt wird.

Das BVerfG stellte in diesem Rechtsstreit mithin lediglich die Grundrechtsverstöße in der vorherigen Entscheidung des Amtsgerichts fest und verwies zur Entscheidung in der Sache an das Amtsgericht als zuständiges Fachgericht zurück. Dieses solle klären, ob die Anfertigung der Videoaufzeichnungen tatsächlich ohne gesetzliche Grundlage erfolgte und ob in diesem Falle eine Verwertung der Videoaufnahmen im Bußgeldverfahren gegen den Kläger tatsächlich ausscheiden muss.

In der Zwischenzeit haben sogar verschiedene Amtsgerichte Bußgeldverfahren vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG eingestellt oder die Beschuldigten freigesprochen. Hierbei handelte es sich teilweise auch um Verfahren, in denen der Geschwindigkeitsverstoß mittels Foto dokumentiert wurde. Der Unterschied zu den Videoaufzeichnungen liegt hier darin, dass bei Radaraufnahmen i. d. R. vorab eine Messung durchgeführt wird und sodann erst bei Geschwindigkeitsübertretung automatisch ein Foto ausgelöst wird. Gerade aufgrund dieser Automatik wird vertreten, dass auch bei Fotos ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vorliege, weil eine Verdachtsprüfung durch einen Menschen gerade nicht erfolgt.

Das Thüringer Oberlandesgericht in Jena vertritt zwischenzeitlich hierzu jedoch die Auffassung, dass das Urteil des BVerfG gerade keine Aussage zu Fotoaufnahmen mache. Bei “Blitzerfotos” würden gerade das Fahrzeug und der Fahrerverdachtsabhängig erst nach überschreiten einer bestimmten Geschwindigkeit festgestellt, sodass ein Grundrechtseingriff jedenfalls bei den “Blitzerfotos” nicht gesehen wird.