Ohne konkrete Kindeswohlgefährdung kein familiengerichtlich angeordnetes Smartphone-Verbot

Allein der Umstand, dass ein Kind ein Smartphone und freien Internetzugang hat, rechtfertigt noch keine familiengerichtlichen Auflagen zu Mediennutzung. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 15.06.2018 entschieden. Derartige Auflagen seien nur dann geboten, wenn im Einzelfall eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls festgestellt werden kann.
Die getrennt lebenden Eltern stritten über das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre 9 Jahre alte Tochter. Im Rahmen der Kindesanhörung ergab sich, dass das damals 8-jährige Mädchen freien Zugang zum Internet über Geräte der Mutter und ein eigenes Smartphone hatte.
Das Amtsgericht übertrug das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter und gab ihr zugleich auf, feste Regeln, insbesondere verbindliche Zeiten und Inhalte hinsichtlich der Nutzung von im Haushalt verfügbaren Medien (insbesondere TV, Computer, Spielkonsole und Tablet) für das Kind zu finden, umzusetzen und dem Gericht mitzuteilen. Darüber hinaus sollte dem Kind bis zum 12. Lebensjahr kein eigenes Smartphone mehr zur Verfügung gestellt werden.
Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte Erfolg. Das Oberlandesgericht hat die erteilten Auflagen aufgehoben, da diese unberechtigt in die grundrechtlich geschützten Elternrechte der Kindesmutter eingreifen. Eine konkrete Gefährdung des Kindes durch die Mediennutzung sei nicht festgestellt worden. Allgemeine Risiken der Nutzung smarter Technologien und Medien durch Minderjährige begründen nicht per se eine hinreichend konkrete Kindeswohlgefährdung. Medien-und Internetkonsum durch Kinder und Jugendliche berge zwar Gefahren, denen Eltern geeignet (durch zeitliche Begrenzungen und inhaltliche Kontrolle) begegnen müssten.
So könne der Zugang zu jugendgefährdenden Inhalten schädliche Wirkungen haben, gleiches gelte hinsichtlich für die aktuelle Altersgruppe nicht freigegebener Spiele mit verstörendem, schädigendem Inhalt oder die Verwendung von WhatsApp, bei denen die Kinder oder Jugendliche als Sender und Empfänger gewünschter und unerwünschter Nachrichten betroffen sein können.
Äußerst fraglich ist jedoch, ob generell eine Schädlichkeit angenommen werden könne, wenn Kindern die Möglichkeit eröffnet werde, Medien in dieser Weise zu nutzen. Die Schädigungsformen seien vielmehr mit anderen Gefahren etwa durch ausgedehnte Fernsehzeit oder auch eine ausschließliche Ernährung von Junkfood vergleichbar.
Das OLG weist darauf hin, dass die Nutzung digitaler Medien zum Schutz von Minderjährigen gegebenenfalls pädagogisch begleitet werden müsse. Dabei ergäben sich jedoch individuelle Spielräume, die -solange keine konkrete Kindeswohlgefährdung vorliege-, innerhalb der jeweiligen Familien eigenverantwortlich festgelegt werden müssten. Es gilt insoweit auch für die Familiengerichte der Grundsatz der Subsidiarität staatlichen Eingreifens.

Anja Koltermann-Drieling, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht